Aikido-Herbstlehrgang auf Izu / Japan – Teil 2
Sonnabend
Das Sonnabendfrühtraining war kein Problem, ich war schon lange vor 7:30 Uhr wach ...
Leichte Techniken auf steinharter Matte, und das am Morgen. Danach endlich zum allseits beliebten Japanischen Frühstück, bestehend aus Fisch (mit Gräten), Reis, Misoshiro (Suppe) und natürlich grüner Tee. Die Kaffeetrinker und Toastesser jaulten gequält auf, aber schließlich ist ein Aikido-Lehrgang ja keine Vergnügungsreise.
Der Vorschlag, das Mittagstraining zugunsten einer besseren Nutzung des Tages für Sightseeing zu nutzen, konnte sich bei der öffentliche Abstimmung unter Shimizu Senseis Augen nicht durchsetzen, und so waren wir um 11:00 Uhr wieder auf der Matte. Wieder ein ruhiges Training, und nach einer halben Stunde wurde unterbrochen. Zwei japanische Jugendliche hatten irgendetwas ausgefressen und mußten vor die Gruppe treten. Sie standen nun allen 50 Teilnehmer jeweils für etwa vier Techniken als Uke zur Verfügung. Da kein Gegenwurf zu befürchten war, probierten einige der Teilnehmer doch auch spektakulärere Techniken aus, sie mußten ja nicht auf dem Beton landen. Da beide Kandidaten die Wurfprozedur halbwegs aufrecht überstanden hatten, wurden sie ausgiebig gelobt und verließen trotz sicher schmerzender Glieder stolz die Matte (leider habe ich sie dann in den folgenden zwei Wochen beim Training nicht gesehen ...).
Die Gruppe, die sich 20 Minuten lang knieend auf der harten Matte entspannt hatte, durfte sich dann während der letzten 5 Minuten noch mit einen Irimi-nage auf Beton vergnügen...
Individuelles Mittagessen (extra zu bezahlen), ich entschied mich für kalte Nudeln (tsumetai soba); nach dem Essen Ruhe bis zum 16 Uhr Training, ein Teil der Gruppe tourte durch Shimoda und gondelte auf den Shimoda-Berg.
Da das Dojo oben auf dem Berg lag, wir aber unten wohnten, mußten wir mehrmals täglich im Dogi und mit Sandalen den Berg hinauf- bzw. hinunterstapfen. Wer nicht laufen wollte, konnte sich telefonisch einen Bus bestellen.
Nach dem Abendtraining, das mit Schwerttechniken begann (Bokken und Jo wurden für alle Teilnehmer bereitgestellt) und sehr entspannend mit einer Dehngymnastikeinlage eines der Schüler endete, ging es wieder in den Speisesaal (nach dem obligatorischen Onsenbesuch).
Der alkoholische Teil des Abends wurde durch hochprozentigen serbischen Schnaps erweitert. Wir blieben vorerst nüchtern, fielen dann aber im Laufe des Abends irgendwann doch um ... genaues weiß ich nicht mehr.
Das Trinkgelage wurde untermal von Kentas Filmwerk vom September 2007 in Wladiwostok. Bildhübsche russische Mädchen wechselten mit verzweifelten Tendoryu-Technik-Versuchen der zahlreichen Lehrgangsteilnehmer/innen. Kentas Filmaufnahmen werden immer fachmännischer, allerdings lassen sich Titelfolgen und Musikbegleitung dann doch noch erheblich verbessern. Nach einem weiteren Werk vom Serbienlehrgang 2007 bildeten sich Gesprächs- und Trinkgruppen. Ein Berliner Teilnehmer rollte ins Bett, der andere – trinkfestere – vernichtete pflichtbewußt Rest-Bier, Rest-Schnaps und eilig herbeigeschafftes Reisgebäck bei anregenden politischen und kulturellen Gesprächen in Deutsch/Englisch/Japanisch.
Die Zahl der Zimmergenossen hatte sich erhöht. Zwar waren einige Teilnehmer bereits am zweiten Tag wieder abgereist, doch etwa 10 Neue standen auf der Matte. Nun waren es im Zimmer also ein ohrenbetäubender Dauerschnarcher, zwei aller Tonlagen mächtiger Häufigschnarcher und ein Gelegenheitsschnarcher; mitten in der Nacht konnten Christian, ich und der Japaner in unserem Zimmer ob der tierischen Doppelarie im Nebenraum nur laut vor uns hin lachen.. Mimisen sind ein absolutes Muss.
Sonntag
Wieder den Wecker gespart ...
Beim letzten Training am Morgen entschuldigte sich Shimizu Sensei wieder für die schlechten Matten und versprach für das nächste Jahr Besserung. Außerdem wies er wiederholt auf die große Bedeutung von Mut und Bereitschaft jedes einzelnen auf seinem Lebensweg hin. Und er betonte das Gruppengefühl der Aikidoka. Keiner ist für sich allein, alle können sich irgendwie irgendwann gegenseitig helfen, da alle gemeinsame Ziele verfolgen. Das Training war wieder gut aufgebaut, und wir staunten über einige interessante technische Einzelheiten. Wieder und wieder wurde auf das Verschmelzen mit der Bewegung des Partners hingewiesen, das aber nicht routiniert oder automatisch sein darf sondern mit Leben/Ki erfüllt sein muß.
Die Stunden in Izu vergingen sehr schnell, und schon standen alle beieinander zum Verabschieden. Koreyuki-san, die zwei Strafkandidaten und wir nahmen einen anderen Rückweg quer durch die Wälder auf einem privaten (und daher sehr mautteuren) Waldweg – dem Skyline Highway - in Richtung Fuji-san. Der Fuji-san war leicht schneebedeckt, und wir passierten zwei herrliche Höhenseen mit Blick auf den Hakone Nationalpark (photographisch nicht festgehalten).
Wegen der hohen Gebühren waren die Straßen autoleer, nur ab und zu knatterten Motorrräder, die diese Wege wohl als Teststrecken benutzten, an uns vorbei. Alle waren schon recht müde, leider auch der Fahrer Koreyuki-san, der mit etwa 100 km/h die vorgeschriebenen 40-60 km/h ingnorierte – und dann noch erwähnte, daß er beim Bremsen altersbedingt etwas langsam sei – gequältes Lachen bei den in den Sitzen hängenden Passagieren – das dann bei einigen allmählich in die natürliche japanische Reisehaltung überging.
In Odawara verließen wir das Auto und stiegen verabredungsgemäß in die Odakyu-Linie nach Tokyo (der auch fahrende Shinkansen ist dreimal so schnell und dreimal so teuer). Am nächsten Tag erfahren wir dann, daß die Autofahrer auf dem Tomei-Expressweg (das ist die Standardautobahn zurück nach Tokyo) wegen diverser Unfälle an diesem Sonntag stundenlang im Stau gestanden hatten.
In Tokyo waren wir dann nur noch zu großer Wäsche und Ruhe fähig ...
C & P