Besuch im Aikikai Hombo Dojo
Die letzte Rettung des verlorenen Ausländers ist der Koban – eine japanische Polizeistation, die an vielen Stellen in Tokyo zu finden ist, meist mit zwei oder drei fahrradfahrenden Polizisten besetzt. Auf unsere Frage nach dem Aikikai Hombo Dojo (Hombo = Haupt) wollte man nun den Namen des Dojos wissen; wir sagen ‚Hombo Dojo’, der Polizist sagte, daß das kein Name sei. Da wir auch keine Telefonnummer hatten, wurde in der Zentrale nachgefragt. Von dort erfuhr der Mann die Adresse und daß der Name doch ‚Hombo Dojo’ ist.
Von Shinjuku ging es mit der ganz neuen, drei (!) Stockwerke unter der Erde liegenden Oedo-Linie nach Wakamatsu-Kawada. 10 Minuten zu Fuß, und wir waren da. Christian erkannt das aus einer Fernsehreportage bekannte Gebäude schon von Weitem. Nach Angabe von Namen und Adresse an der Rezeption durften wir das Gebäude als Besucher (natürlich in Hausschuhen) betreten. Im ersten Stock trainierten etwa 25 Anfänger (ikkyu ura aus aihanmi katate tori), und wir stiegen in den zweiten Stock zur Fortgeschrittenengruppe.
Das Dojo war etwa 12x12 m groß, es trainierten 40-50 Aikidoka, etwa 30% Ausländer und etwa 15% Frauen. Der amthabende Lehrer trennte sich während der ganzen Trainingsstunde (die gerade begonnen hatte) nicht von seinem Bokken, unabhängig von Aktionen und Bewegungsabläufen. Die Techniken wurden relativ kurz und kommentarlos gezeigt und dann von allen trainiert. Die Paare wechselten nicht, was ich von früheren Besuchen schon kannte.
Beim Herumstolzieren, leider konnte man die Gangart des Lehrers nicht anders bezeichnen, griff der Meister sich verschiedene Schüler aller Graduierungen und demonstrierte dieselbe oder weitere Techniken, wobei die Ukes fluchtartig aus Selbstschutzgründen in die Fallübungen gingen. Aus den Augenwinkeln die beiden Besucher, die diszipliniert etwa eine Stunde auf dem Holzboden knieeten (beim Aufstehen verloren wir beinahe unseren stoischen Gesichtsausdruck) beobachtend, konzentrierte sich der Meister bei seinen Aktionen immer mehr in unsere Richtung, was aber die Techniken nicht besser machte. Das überhebliche Getue des Meisters sorgte für eine seltsam unerfreuliche Stimmung im Dojo.
Leider gibt es doch sehr unterschiedliche Aikido-Interpretationen. Wir vermissten dynamische Angriffe, das Aufnehmen von Bewegungen, fließende Bewegungen und ein nachvollziehbares Gleichgewichtbrechen; dafür sahen wir viel Abducken und Schubsen, was dann zu gelegentlichem Stolpern des Meisters über seinen Uke führte – als Lehrer muß man sich vielleicht dann nicht einmal entschuldigen. Die Bewegungsabläufe wirkten zuweilen hart, bzw. brutal. Dafür fehlte die Eleganz und Leichtigkeit der natürlichen Bewegungen, die wir aus dem Tendoryu Aikido gewohnt sind.
Die Schüler waren durchwegs weich und gelenkig, vermutlich ein Teil einer flexiblen Überlebensstrategie. Der Frauenanteil war noch geringer als im Tendokan. Allerdings war die Quote bei der Anfängergruppe im 1. Stock etwas größer.
Das Morgentraining am folgenden Dienstag im Tendokan war dann ein ganz besonderer Genuß ...
C & P