Freude durch Bemühungen im Training
Kawaraban Nr. 79
10/2009
von Kotaru Nagai, stellvertretender Trainer im Tendokan
(46 Jahre – Leiter eines Unternehmens – Aikido seit 33 Jahren)
Ein langes, kontinuierliches Training fällt meiner Meinung nach nicht immer nur leicht. Es ist daher notwendig, einen anderen Ansatzpunkt zu suchen, damit die Freude beim Training nicht nachläßt. Der Schlüssel dazu ist ‚Rei (Umgangsformen, gute Manieren, Dankbarkeit)’.
Im Aikido wiederholen wir dieselbe Technik wieder und wieder. Dabei verlieren wir ganz natürlich das Interesse daran. Warum ist das wohl so? In Geprächen mit Menschen hören wir beispielsweise, daß man in Begeisterung gerät, wenn es Spaß macht, und man müde wird, wenn es keinen Spaß macht. Unser Interesse nimmt ab, und wenn man einer Sache müde wird, ist das ein Zustand, in dem die Konzentration nachläßt und die Tätigkeit zur Gewohnheit wird. Ist also nicht noch etwas anderes notwendig, damit wir nicht in diese Falle geraten?
Im Dojo gibt es viele Gelegenheiten, bei denen wir höfliche Umgangsformen (Rei) wahren. Wenn wir das Dojo betreten und verlassen, wenn wir uns in einer Linie vor dem Shomen (Wandbild) verneigen und wenn wir Sensei begrüßen; wir grüßen uns gegenseitig beim Training und auch nach dem Training grüßen wir uns ... wenn solche Umgangsformen nur zu einer reinen Form werden, ist das Herz nicht mit dem Partner verbunden, und die Umgangsformen verlieren ihren Sinn. Wenn man bei einer Begrüßung beispielsweise ein freundliches Lächeln austauscht, ergibt das völlig anderen Eindruck als bei einem ausdrucklosem Gesicht. Daher verändert sich auch die Verbindung zu unserem Partner bei der Begrüßung in dem Maße, wie wir unserem Gefühl Ausdruck verleihen,. Oberflächliche Höflichkeit, die aus Gewohnheit entsteht, ist nicht gemeint, sondern das Entstehen eines Gefühls von Frische ist notwendig.
Heutzutage sind Dinge wie Kleidung, Essen, und viele anderen Dinge reichlich vorhanden, und ganz unbewußt haben wir uns daran gewöhnt. Wann immer man erscheint, ist das Dojo überflutet von einem Gefühl der Reinheit, es gibt Trainingspartner, und man hält es für ganz selbstverständlich, daß trainiert werden kann. So wird unmerklich das Gefühl von Dankbarkeit abnehmen, und die Frische des Geistes wird verloren gehen.
Dieser Geist, der die Höflichkeit außer Acht läßt, verringert die Eintracht mit anderen, das Vertrauen geht verloren, wir werden gefühllos, und Menschen mit dieser Geisteshaltung zeigen keinen Lerneifer mehr. Gerade eben deshalb warnt Shimizu Sensei immer vor ‚Gewohnheit’ (nareai).
Was suchen wir im Aikido? Jeder mag seine eigenen Ziele haben. Aber wenn es so ist, daß allein durch die mechanische Wiederholung im Training die eigenen angestrebten Ziele nicht erreicht werden können, stellt sich sicherlich die Frage, wie dann diese Wiederholungen (Kontinuität) aussehen sollten.
Es gibt Menschen, die keine Fortschritte machen, obwohl sie lange Zeit kontinuierlich trainieren; es gibt Menschen, die sich immer über ihre Ziele im Klaren sind, und es gibt Menschen, die nicht mit anderen zusammenarbeiten und nicht an gemeinsamen Treffen und Lehrgängen teilnehmen, die also die Beziehung mit anderen vermeiden.
Im Aikido kommen Menschen miteinander in Berührung, und sie polieren sich ständig gegenseitig, wie Shimizu Sensei mit den Worten ‚Messer und Schleifstein’ beschreibt. Wenn man dabei nur auf sich selber achtet (Verzerrung des Geistes), werden neue Erkenntnisse und neue Gefühle nicht entstehen. Mit anderen Worten, die Knospe des Fortschrittes wird nicht aufgehen. Um die in uns verborgenen großen Potentiale zum Leben zu erwecken, ist zunächst ein williger Geist wertvoll. Wenn wir es als wichtig erachten, mit dem Partner gefühlsmässig verbunden zu sein und uns beim Training bemühen, bevor wir an gute oder schlechte Techniken denken, wird sicherlich die zu Beginn beschriebene ‚Freude’ aufkommen, denke ich.
Diese Freunde unterscheidet sich wesentlich von einfacher Selbstzufriedenheit, und weil wir gemeinsam mit dem Partner ernsthafte Stunden verbringen, ist es ein lebendiges Training. Langjähriges kontinuierliches Training wird unser Leben gehaltvoller machen und uns nach und nach mit einer lebendiger Kraft erfüllen.
© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 11/2009