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Geleitet werden ...

Kawaraban Nr. 45

01/2001

von Isamu Shima

(49 Jahre, Photograph, Mitglied seit 5 Jahren und 6 Monaten)

Neulich Abend. Als ich wie immer mein Bier trank und mir eine Zigarette anzünden wollte, sagte etwas zu mir: „Rauchen ist wirklich ungesund, los` hör auf damit“. Das war mein zweites Ich und ich zerknüllte die Zigarette und warf sie weg. Gleichzeitig dachte ich, es würden nicht einmal fünf Minuten vergehen, bis ich wieder rauchen würde, und tatsächlich, nach ein paar Minuten wollte ich wieder rauchen. „Es ist eine besondere Gelegenheit, hör` auf!“ leitete mich mein zweites Ich und ich konnte dem ohne Probleme folgen.

In diesem Jahr hatte ich zuvor mehrfach Kämpfe ausgetragen, mit dem Rauchen aufzuhören. Sechs Monate lang litt ich unter heftigem Astigmatismus auf dem rechten Auge, und wegen der Nebenwirkungen der Medizin schmeckte das Essen nicht, und auch die Zigaretten waren bitter, „Mist“. Bei so einer Chance wie zu diesem Zeitpunkt wollte ich es wieder versuchen, doch nach nicht mal einem Monat rauchte ich mehr als zuvor, Frustration.

Man kann es sich so vorstellen. Der Körper des Menschen sendet ständig die verschiedensten Signale aus. Sie sind jedoch schwer zu spüren, da die verschiedensten negativen Gedanken ein Hindernis darstellen. „Rauchen ist schlecht für Deine Gesundheit, hör` endlich auf damit“, wieder diese Belehrung. Die körperliche Energie und die Energie des reinen Herzen verbanden sich natürlich, und das Aufhören fiel sehr leicht. Es lief sehr gut, da die äussere und die innere Energie sich durch das gute Timing zusammenfügten.

Vor einigen Jahren zu Neujahr sah ich zufällig fern. Dabei sah ich auf einem Kanal, wie ein Aikido-Lehrer mit nur einem Kiai (Kampfschrei) ‚Iyaaa!’, ohne die Körper seiner Gegner zu berühren, im Nu 4-5 seiner Schüler nacheinander durch die Luft wirbelte. Ich dachte: „So was Verrücktes!“ und habe es belächelt. Dann Anfang Juli jenen Jahres. Ein Freund lud mich ein, beim Aikido zuzusehen. Da habe ich mich dann plõtzlich wieder an die zuvor gesehenen albernen Aikido-Techniken erinnert. Na gut, ich entschied mich, meine Neugier zu befriedigen, indem ich mich mit eigenen Augen überzeugen wollte.

Als ich vorsichtig das Dojo betrat, konnte ich vernehmen „Aaaa, Sie wollen eintreten?“, und bevor ich antworten konnte, wurde ich mit „Bitte in dieser Richtung“ ins Büro geleitet. Als mir klar wurde, dass ich noch nicht einmal zugeschaut hatte, waren die Eintrittsformalitäten erledigt. „Über einen Eintritt wollte ich eigentlich erst nach dem Zuschauen entscheiden, aber nun hatte ich, als ich das Büro verliess, bereits bezahlt. Ich Idiot. Die erste Trainingsstunde war zu Ende, und überall sah man fröhliche, schweißüberströmte Gesichter. In dem luftigen, schönen hellen Dojo erstrahlte alles, es war erfrischend.

Da begann der körperlich kleine Watanabe Sensei,  ein paar Techniken zu zeigen. Die Ausführung der Techniken, so klar und eindeutig wie sie waren,  erzeugten ein gutes Gefühl. Das gefiel mir. In der Nähe des Einganges  drehten sie sich im Kreis und übten klatschend das Fallen. Mit den Gedanken, dass ich das alles schnell lernen würde, kehrte ich nach Hause zurück.

Doch als ich dann selber anfing zu trainieren, sah ich, daß Sehen und Machen nicht vergleichbar sind. Meine Arme und Beine bewegten sich gar nicht. Warum nur kann ich so etwas Einfaches nicht machen? Und das obwohl ich früher an der Universität Mitglied bei den Kunstturnern war. Seltsam, seltsam, das hätte ich nicht erwartet. Ich war zwar enttäuscht war, doch es machte auch Spaß.

Einmal sprach ich in einer Kneipe mit den Angestellten über dieses Aikido. Ohne Vorwarnung gesellte sich der alte Besitzer des Tatamiladens von nebenan mit dazu, das Gespräch nahm an Lebhaftigkeit zu, und ich hatte, ohne es zu wollen, zwei Tatami zum Trainieren gekauft. Und als zufällig meine schwarze Katze namens ‚Konbu’ gemütlich auf meinen Knieen lag, wollte ich testen, ob der Nikkyo funktioniert. Ich klemmte die Vorderpfote zwischen Mittel- und Zeigefinger und fixierte mit dem Daumen. Zuerst setzte ich leicht an. „Nyaa“ protestierte sie. Als ich beim zweiten Mal etwas stärker ansetzte, „Nyaa-on!“ wurde ich plötzlich gebissen und erhielt gleichzeitig zu meinem Pech einen heftigen Schlag mit der Katzenpfote versetzt. Leute, wir wollen nicht weiter Techniken bei Tieren ansetzen. Die Reaktion erfolgt ohne Schonung.

Eines Tages dann, ich vom Aikido immer stärker angezogen wurde, sprach Shimizu Sensei darüber, daß „in letzter Zeit die Zahl der eifrigen Schüler zugenommen habe“. Und „Im Aikido ist die Kontinuität von großer Wichtigkeit“, aber wenn es zu schnell geht, werden viele plötzlich umfallen und und aufhören. Besonders die Menschen aus Kyushu sind ‚leicht zu begeistern und verlieren schnell die Lust’. Hmmm, mit Sicherheit trifft das auf mich zu. Ich bin typisch. Trotzdem bereitet mir das tägliche Training Freude, und ich möchte keine Stunde missen.

Beim Photographieren gilt das gleiche. Das Gegenüber spielt einem die verschiedensten Bälle zu. Es ist wie beim Catchball, die unterschiedlichsten Bälle werden mit dem Körper erfühlt und zurückgeworfen. Man erfühlt die verschiedenen Blickpunkte, stimmt sich mit ihnen ab und drückt ab. Sowohl in der Photographie wie auch beim Aikido gibt es auf dem Weg des Fortschritts nicht anderes als kontinuierliches Weitermachen. Ich glaube an die Einstellung im Tendoryu-Aikido, daß „aus Kontinuität Stärke erwächst“, und ich denke, daß ich durch das Training auch meine Fähigkeiten im Photographieren verbessern kann.

Soviel zu meiner Person. Ich möchte Shimizu Sensei, die unterrichtenden Lehrer und alle Schüler bitten mir auch weiterhin zu helfen.

© übersetzt von Birgit Lauenstein und Peter Nawrot 02/2005