Ohne Aikidō wäre ich nie nach Japan gekommen ...
Kawaraban Nr. 53
01/2003
von Susanne Frohlieb
(34 Jahre, Gastdozentin für Sprachstudien an der Waseda-Universität, vom Deutschen Tendōryu, Mitglied seit 9 Monaten)
Ich hatte mehrere Jahre auf Grund der Arbeit meines Vaters in Amerika verbracht, und war 15 Jahre alt, als ich in meine deutsche Heimatstadt zurückkehrte. Damals kam mir zum ersten Mal der Begriff ‚Aikidō’ zu Ohren. Meine Klassenkameraden lernten Aikidō, und als ich zum ersten Mal etwas über Aikidō zu hören bekam, hatte ich noch gar keine Idee, um was es sich hier handelte. Als ich jene Freunde fragte: „Was ist Aikidō eigentlich?“, antworteten sie:
„Komm doch zuerst mal zum Zuschauen“ und nahmen mich zum Dōjō von Sensei Friedrich Vortmüller mit, wo sich Kinder eifrig mit Aikidō beschäftigten. Ich war von dieser Atmosphäre augenblicklich fasziniert.
Ich spürte eine Faszination, die man bei westlichen Sportarten nicht finden kann. Aikidō findet in einer klaren und reinen Umgebung statt, und es herrscht geistige Einheit. Andere Sportarten sind hart, und häufig wird im Training viel und laut geschrieen, wohingegen im Aikidō die Stille bewahrt worden ist. Und als ich beobachtete, wie man den Angriff eines Partners durch eine Serie von kreisähnlichen Bewegungen parierte, entstand ein starkes Interesse am Aikidō, und ich beschloss, auch Aikidō zu lernen.
Darüber hinaus entwickelte sich im Verlauf meines Aikidōstudiums ein überaus starkes Interesse an Japan, dem Ursprungsland. Und daraus entstand der Wunsch, irgendwann einmal in Japan zu leben.
Auch in Deutschland werden im Aikidō für Techniken und Bewegungen mit dem Partner etc. japanische Begriffe wie ‚kote-gaeshi’, ‚aihanmi’, ‚mune-tori’ usw. benutzt. Doch das ist nicht alles. In der Sprache der sogenannten ‚Aikidōka` konnte ich auch die japanischen Namen für traditionelle japanische Dinge lernen, wie ‚dōjō’ für den Trainingsort und z.B. ‚zori’.
So konnte ich, als Shimizu Sensei zum Aikidō-Unterrichten nach Deutschland kam, einschliesslich der Körpersprache, alles verstehen.
Und wir waren total begeistert, als Shimizu Sensei bei Angriffen von 2 oder 3 von uns, ehe man sich versah, mit kreisförmigen Wurftechniken parierte. Übrigens, wenn man Aikidō anwendet, dann zur Verteidigung gegen einen Angreifer.
Das heisst auf der anderen Seite, dass Fallübungen (Ukemi) genauso wichtig sind, um den eigenen Körper zu schützen, wenn eine Technik angesetzt wird. Dieser Punkt wird normalerweise nicht für so wichtig erachtet, doch lesen Sie die folgende Episode von Sensei Fritz.
Es wird erzählt, dass eines Tages Sensei Fritz tatsächlich angegriffen wurde. Sein Körper hatte augenblicklich reagiert, und obwohl keine Zeit zum Nachdenken war, stand er plötzlich in der Haltung für Ikkyō ura. Der Gegner, der Sensei angegriffen hatte, stürzte zu Boden und war nur noch fassungslos. Da er keine Fallübung konnte, verletzte er sein Gesicht auf dem Aspahlt. Und Fritz Sensei musste Erste Hilfe leisten.
Daran kann man sehen, wie überaus wichtig Fallübungen sind.
Von meiner Oberschulzeit bis heute habe ich einiges erlebt. Ich bin auf die Universität gegangen, habe einige Jahre lang studiert und dann nach dem Abschluss im Forschungsinstitut der Universität gearbeitet. Dann schliesslich im letzten Sommer wurde mein, seit der Oberschulzeit bestehender Herzenswunsch in Japan zu leben Wirklichkeit. Darüberhinaus erfüllte sich auch der Traum, hier in Japan von Shimizu Sensei Aikidō-Unterricht zu erhalten, sodass jeder Tag glücklich und erfüllt ist.
© übersetzt von Birgit Lauenstein und Peter Nawrot 09/2003