Interview mit Birgit Lauenstein
Off Time Nr. 5
von Kenta Shimizu
Das 3. Interview in ‘Offtime’ ist mit Frau Birgit Lauenstein (Tendoryu Aikido seit 25 Jahren), die als einzige Frau im Tendoryu Aikido den 4. Dan besitzt. Sie hat kontinuierlich natürlich in Deutschland und auch in Japan und Singapur Tendoryu Aikido trainiert und unterrichtet. Frau Birgit Lauenstein, nach deren Ansicht die Menschen welchen Landes auch immer Aikido betreiben können, sprach mit uns ausführlich in ausgezeichnetem Japanisch über ihre persönliche Erfahrungen bei der bisherigen Verbreitung und über die Faszination des Aikido.
Könnten Sie uns anfangs mitteilen, warum Sie mit Aikido begonnen haben?
Seit meiner frühesten Jugend trug ich mich mit dem Gedanken, Selbstverteidigung zu erlernen, anfangs besuchte ich Judo- und Karate-Dojos in der Umgebung, aber meine Mutter war dagegen, daß ich eine Budokunst lernte. Trotzdem suche ich weiter nach einer Budokunst, um nicht aufzugeben. In diesen Tagen wurde gerade im Fernsehen Aikido vorgestellt, und ich war von der Schönheit und der Stärke der kreisförmigen, den Gegner scheinbar aufsaugenden Bewegungen und vom femininen Eindruck fasziniert. Und auch meine Mutter war damit einverstanden, daß ich Aikido lernte.
Was haben Sie durch Aikido gelernt, bzw. wie haben Sie vom Aikido profitiert?
Es gibt beide Aspekte, sowohl den körperlichen als auch den geistigen. Was den körperlichen Aspekt betrifft, konnte ich im Laufe der Zeit das körperliche Gleichgewicht bewahren. Ich nahm Weichheit und Stärke an, und ich hatte schließlich immer das Gefühl, daß meine körperliche Verfassung gut ist. Außerdem wurde ich, als ich vor einiger Zeit in der Stadt Berlin am späten Abend allein unterwegs war, von einem unbekannten Mann von hinten verfolgt. Als sich der Abstand immer mehr verkürzte, fühlte ich die Gefahr, und als ich ein Aikido Atemi ausführte, rannte der Angreifer total überrascht davon (Lachen).
Was den geistigen Aspekt betrifft, auch das geistige Gleichgewicht ist gut geworden. Auch außerhalb des Dojos wurde ich mittlerweile rücksichtsvoll gegenüber anderen Menschen. Bisher hatte ich nur an mich selbst gedacht, denke ich.
Frau Lauenstein, Sie haben bis jetzt in vielen Ländern Aikido betrieben, können Sie uns ein wenig über diese Karriere berichten?
Zuerst habe ich in München/Großhadern mit Aikido begonnen, danach bin ich aus beruflichen Gründen nach Tokyo gegangen, bin dann nach Deutschland zurückgekehrt und war u.a. in Berlin, Ungarn und Singapur. Berlin bildete die Basis, und ich habe an allen Orten, in denen ich mich aufhielt, Aikido trainiert, nicht wahr. Insbesondere habe ich vier Jahre lang in Singapur gewohnt.
Wie haben Sie in Ihrem Heimatland Deutschland unterrichtet?
Es war zu der Zeit, als ich mit Gefährten in Berlin zu unterrichten beginnen wollte, und zu jener Zeit war Aikido in Berlin noch nicht so sehr bekannt. Wir haben ein neues Dojo eingerichtet und mit dem Training begonnen. In diesem Dojo trainierte ursprünglich ein Judo-Verein, und die mehr als 100 Judo- und Jiu-Jitsu-Mitglieder wechselten alle in unseren Aikido-Verein, nachdem sie die Aikido-Bewegungen gesehen und unsere Ausführungen gehört hatten (Lachen). Heute gibt es in allen Teilen Berlins viele Tendoryu Dojos.
In Deutschland gibt es viele Tendoryu-Aikido Schüler, was meinen Sie, warum hat sich das Aikido in Deutschland bis jetzt so sehr verbreitet?
Nun ja, das ist Shimizu Sensei’s Verdienst, der die Schüler jedes Jahr unterrichtet. Ein weiterer Grund ist, daß man relativ leicht mit der Unterstützung der Behörden einen Verein gründen kann, wenn ein Trainingsleiter benannt wird. Damit kann man sich ohne größeren eigenen Aufwand Unterrichtsmöglichkeiten schaffen.
Was den Jahrestag und die positive Entwicklung von Tendoryu Singapur angeht, wir haben gehört, daß Ihre Aktivitäten maßgeblich dazu beigetragen haben; was für Schwierigkeiten hat es gegeben?
Anfangs war es ungeheuer schwierig, nicht wahr. In Singapur liegen die Dinge anders als in Deutschland, die Anforderungen der Behörden sind streng, und man kann nicht ohne weiteres Budokünste unterrichten. Insbesondere bei Ausländern muß ein Sponsor gesucht werden, sonst erhält man keine Genehmigung von den Behörden. Daher trafen wir uns anfangs mit den verschiedensten Menschern, und es war in der Tat sehr mühevoll, bis wir einen Sponsor finden konnten.
Und wie ging es weiter, nachdem Sie unterrichten konnten?
Bis der Unterricht beginnen konnte, gab es die verschiedensten Schwierigkeiten, aber die Menschen in Singapur hatten ein sehr großes Interesse für Aikido, und wenn man geworben hatte, kamen die Menschen in großer Zahl zum Zuschauen. Anfangs wurde durch Zufall in einem Magazin vorwiegend für Frauen eine Werbung plaziert, und danach traten viele Frauen in das Dojo ein. Auch danach erfolgten Berichte in Zeitschriften und im Fernsehen, und mit der Unterstützung vieler Leute konnte ich unterrichten. Wenn ich zu jener Zeit selbst unterrichtete, war der Frauenanteil über 60%.
Was für Unterschiede fühlen Sie bezüglich der Atmosphäre beim Training und im Dojo im Vergleich zwischen Deutschland, Singapur und Japan?
Ja, diese Unterschiede gibt es, nicht wahr. Was zunächst Deutschland angeht, so liegt der Unterschied zu Japan darin, daß sich Lehrer und Schüler auf gleicher Ebene befinden, man unterhält freundschaftliche Kontakte und unterhält sich wie mit Freunden. Auch in anderen europäischen Dojos sind die Verhältnisse ähnlich, denke ich. Im Training wird zwar der geistigen Seite auch große Bedeutung beigemessen, aber ich habe das Gefühl, daß häufig Trainingsmethoden zu finden sind, bei denen die Bewegungen mehr auf Körperkraft zurückzuführen sind.
In Singapur liegen das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler gerade etwa in der Mitte von Deutschland und Japan. Wie ich bereits vorher erwähnt hatte, waren etwa 60% der Schüler Frauen. Und der Grund dafür ist, daß es im weiblichen Teil der Gesellschaft starke Aufstiegstendenzen gibt und die Frauen daher sehr aktiv waren. Es kamen auch viele Schüler, die aus Gründen der Selbstverteidigung Aikido lernten.
Und was schließlich den Tendokan in Japan betrifft, sobald man das Dojo mit dem ersten Schritt betritt, fühlt man die unterschiedliche Atmosphäre. Kontinuierlich wird einem das Gefühl vermittelt, daß die Schüler immer intensiv ihr eigenes Selbst trainieren.
Was für ein Gefühl ist es, in einer komplett neuen Umgebung mit Aikido zu beginnen?
Ich habe das Gefühl, daß ich mich immer von neuen Dingen herausfordern lassen möchte. Besonders im Fall von Singapur traten anfangs viele Schwierigkeiten auf, und oft gab es auch Zeiten, daß etwas schief lief und ich aufgeben wollte, aber am Ende konnte ich doch mit dem Unterrichten beginnen.
Das Aufbauen eines Aikido Dojos in einer neuen Umgebung ist ein äußerst erfreulicher Vorgang. Bis heute habe ich an den verschiedensten Orten kontinuierlich Aikido betrieben, und die für das Aikido typische natürliche Schönheit und der Geist des Aikido werden von Menschen welchen Landes auch immer und welche Kultur die Menschen auch besitzen mögen, aufgenommen, denke ich.
Nun die letzte Frage. Wenn es einen einfachen Kniff gibt, um im Aikido gut zu werden, können Sie uns das sagen?
Tja, man muß weitermachen (Lachen). Und man sollte die Liebe zum Aikido entwickeln.
Vielen Dank für heute. Könnten Sie uns bitte noch eine Mitteilung geben für jene Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, von nun an Aikido lernen zu wollen.
Wenn ein Interesse entsteht, sollte man zunächst nicht zu viel intensiv darüber nachdenken, sondern es einmal probieren. Wenn man es mit dem Körper direkt erfühlt, kann man den Reiz des Aikido erfahren.
© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 05/2006