Lehrgänge in Europa
Off Time Nr. 1
von Kenta Shimizu
Im Jahr 2005 trafen sich bei den ersten ausländischen Lehrgängen in Europa (11. – 28.03.) an jedem Ort jedes Mal mehr als 100 Aikidoka, und auch dieses Mal verlief alles ganz hervorragend. Diesen Eindruck habe ich jedes Mal, die Einstellung der Europäer zum Training ist sehr ernsthaft, die Basis ist sehr stark, und die Trainingsstunden verflogen am Ende im Nu.
Die Lehrgangsorte sind im Folgenden aufgelistet:
11. – 15.03.: Genk (Belgien)
17. – 22.03.: Berlin (Deutschland)
24. – 28. 03.: Hamburg (Deutschland
Den Erzählungen zufolge war es in Belgien ungefähr eine Woche, bevor wir dort ankamen, sehr kalt, und es gab starken Schneefall. Aber beim diesjährigen, etwa 3-wöchigen Aufenthalt in Europa spürte man die Kälte nur an wenigen Tagen, und in Europa kam die Wärme des Frühlings früher als in normalen Jahren zu Besuch. Am 10. März erreichten wir aus Narita kommend über Frankfurt in Deutschland den Flughafen in Brüssel, und von dort waren es gut 30 Minuten mit dem Auto. Sogar innerhalb Belgiens ist Genk eine relativ neue Stadt, es gibt große Warenhäuser und Einkaufszentren, aber die Stadt ist insgesamt gesehen ruhig, und man hat den Eindruck, daß es sich dort gut leben läßt.
In Europa fand gerade das Osterfest statt, und die Innenstadt war da und dort mit Eiern und Hasenfiguren dekoriert. Das Osterfest zeigt eine in Japan kaum zu findende Intimität, und es handelt sich um Festtage im Andenken an die Wiederauferstehung von Christus. Schulen und auch Firmen haben frei. Wenn man übrigens die Frage stellt, was das Osterfest nun mit Eiern und Hasen zu tun hat, so wird auf den Ursprung in alten Feenmärchen verwiesen. In Häusern mit Kindern werden analog zum Weihnachtsbaum bunte, gefärbte Eier an den Bäumen im Garten aufgehängt.
Bei diesem Lehrgang war die Trainingsdauer an den überwiegenden Werktagen jeweils 90 Minuten, am Wochenende waren 2½ Stunden Standard; an Werktagen wurde abends, am Wochenende tagsüber trainiert. Am Lehrgang nahmen sowohl fortgeschrittene Schüler als auch Anfänger teil, und die Teilnehmer trainierten unter der Leitung von Shimizu Sensei mit großem Ernst. Der Lehrgang wurde auch von vielen Aikidoka u.a. aus Holland, Frankreich und Deutschland besucht, es erhielt dadurch einen sehr internationalen Charakter, und nach dem Training schwirrten überall Wörter irgendwelcher Sprachen umher. Am 5. und letzten Tag fand ein Fortgeschrittenentraining statt, und an diesem Training nahmen die besten Aikidoka teil. Die Stimmung war anders als beim normalen Training, und etwas wie das Gefühl von heftiger Anspannung war zu spüren. Sollte das nicht für jeden einzelnen der Teilnehmer zu einer sehr guten Motivation geführt haben?
Am 16. März dauerte es vom Flughafen Brüssel mit dem Flugzeug nach Berlin etwa eine Stunde. Da beide Länder Mitgliedsstaaten der EU sind, erledigten wir glücklicherweise die Formalitäten auf dem Flughafen ganz schnell. Auch in Berlin ist Tendoryu Aikido erwartungsgemäß fest verwurzelt. Im Durchschnitt dauerte das tägliche Training mehr als zwei Stunden, und die Teilnehmerzahl hatte dort ihren Höhepunkt, denke ich (an vollen Tagen kamen täglich ungefähr 170 Teilnehmer). An den Werktagen wurde die Sporthalle einer Schule zum Dojo, und am Wochenende, an dem die Teilnehmerzahl anstieg, war der Trainingsort die Sporthalle eines professionellen Sport-Centers. Täglich mußten für das Training die Matten auf- und abgebaut werden, und zu diesem Zweck hatte man einen großen Lastwagen gemietet. Die eifrig helfenden Berliner Aikidoschüler waren sehr beeindruckend.
Wie schon zuvor bemerkt, ist die Altersspanne der Schüler sehr weit, da es in Deutschland bereits eine lange Tendoryu Vergangenheit gibt. Man kann getrost sagen, dass sich das vom Eindruck her nicht vom Tendokan in Japan unterscheidet, und ich konnte ganz natürlich trainieren. Bezüglich des Aikido beschäftigte sich jeder einzelne nicht nur mit der Technik, sonder man konnte sich mit einer Einstellung, die im Training immer die intensive Suche nach dem geistigen Inhalt möglich machte, mit den Techniken beschäftigen und sie verstehen.
Außerdem waren die Organisatoren des Berliner Lehrgangs ganz ausgezeichnet, von den Verantwortlichen bis zu den normalen Schülern kooperierten alle gut zusammen, und ich konnte die Begeisterung fühlen, mir der sie ein hervorragendes Seminar veranstalten wollten. Nach dem Training gingen wir gemeinsam mit vielen der Schüler, die am Seminar teilgenommen hatten, in ein Restaurant zum Abendessen, und zwischen den kameradschaftlichen Aikidoka entstand in zunehmendem Maße auf natürliche Weise das Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Während der Dauer des Seminars kamen später zweimal Fernsehsender zu Besuch, um Aufnahmen zu machen, und gleich darauf sendete der eine Kanal in einer Life-Übertragung im ganzen Land. An diesem Tag begannen etwa eine Stunde vor dem Training die Vorbereitungen für die Übertragung; als das Training begann, waren überall Beleuchtungskörper aufgestellt, und während des normalen Trainings konnten die Aufnahmen gedreht werden. In etwa knapp 10 Minuten Sendezeit wurde über Shimizu Sensei, über das Berliner Tendoryu-Aikido und über die Geschichte des Aikido ausführlich berichtet. Das Thema schien recht populär zu sein, und bereits am Tage nach den Aufnahmen kamen viele Menschen, die das Programm gesehen hatten, zu Besuch und sahen beim Training zu.
Am 23. März fuhren wir in vier Stunden mit dem Auto von Berlin nach Hamburg. Auch wenn Hamburg mitten in Deutschland liegt, so hatten wir uns doch auf kaltes Wetter vorbereitet, weil wir uns in Richtung Norden bewegten, aber am Ende gab es nicht mehr als einen einzigen Tag, an dem eine dicke Jacke erforderlich war. Auch innerhalb Deutschlands gehört Hamburg zu den großen Städten mit einer langen Geschichte, und in der Innenstadt sind zahlreiche Einkaufszentren und Kaufhäuser aufgereiht. Auch hier wurde eine spezielle Budo-Sportanlage zum Trainingsort. Es gab innerhalb der Anlage zahlreiche einzelne Dojos, und in diesen kleinen Dojos übernachteten die Aikidoka, die von weit her nach Hamburg gekommen waren, um am Lehrgang teilzunehmen, im Schlafsack. Wie oft konnte ich, wenn ich die Gänge in der Anlage entlanglief, mit eigenen Augen Herren mittleren Alters beobachten, die in einem Paar Unterhosen und mit dem Dogi über der Schulter umherliefen.
Täglich fand zweimal ein Training statt, vormittags und nachmittags, und zu jedem Training kamen etwa 100 Aikidoka zusammen. Auch in Hamburg waren wieder zahlreiche Ausländer, und zwar nahmen nicht nur Schüler aus Europa an diesem Lehrgang teil, sondern auch eine große Zahl aus Ostasien und aus dem Nahen und Mittleren Osten. Aber auch wenn die Nationalitäten verschieden waren, die Stimmung nach dem Training war geprägt von einem harmonischen Zusammengehörigkeitsgefühl, und ich konnte die Bedeutung derartiger Begegnungen auf den Lehrgängen im Ausland in tiefster Seele fühlen.
Außerdem nahmen unzählige Trainer aus allen Orten, in denen teilweise mehr als 20 Jahre Tendoryu-Aikido betrieben wird, am Lehrgang in Hamburg teil. Sowohl von Anfängern als auch von Fortgeschrittenen konnte ich sehr häufig etwas lernen, und ohne ihre Aktivitäten und ohne ihren Beitrag gäbe es wohl das Tendoryu in Deutschland nicht.
Auch dieses Mal nahmen wirklich sehr viele Schüler an den Lehrgängen teil, und ich wünsche mir ganz besonders, daß sich Aikido auch weiterhin durchsetzt und sich der Kreis des Austausches ständig vergrößert.
© übersetzt von Peter Nawrot 12/2005