Über die Gelassenheit – ein ‚leeres’ Herz
Kawaraban Nr. 68
12/2006
vom Leiter des Tendokan, Kenji Shimizu
Wir, die wir eine Budokunst ausüben, sollten zuallererst darauf achten, dass wir gesund sind, gleichzeitig sollten wir beim Durchsetzen einer Techniken Mut und Geisteskraft ohne Unterlass pflegen. Und darum trainieren wir täglich mit diesem Ziel vor Augen, und im Training fliesst Schweiss, der Atem geht schwer, und gelegentlich tut uns der Körper weh. Ohne ein redliches kontinuierliches Training gibt es keinen Fortschritt. Im Aikido, wo normalerweise die Wiederholung von Techniken im Mittelpunkt steht, ist ein kontinuierliches Trainieren nicht leicht. Ausserdem stellt sich bei wiederholtem Training leicht Langweile ein und wird zu unserem Gegner. Hier sind die Schwierigkeiten eines andauernden Trainings zu sehen. Gerade deshalb können wir beim kontinuierlichen Training das eigene Selbst erkennen, und wir müssen Schwachpunkte überwinden. In erster Linie bezwecken wir mit dem Training den Sieg über unser Selbst.
In früheren Zeiten konnten die Samurai ihr Leben verlieren, wenn sie nicht rasch Veränderungen in ihrer Umgebung fühlen konnten und nicht sofort darauf reagiert hatten. Aus diesem Grunde lebte jemand, der nicht aufmerksam war, nicht lange; zwar konnte man mit wenigen Muskeln überleben, aber schwache Nerven hatten fatale Folgen. Über Aikido wird gesagt, dass es eine Budokunst ist, die das Ki vereinigt. Wir trainieren das Ki (inneres Ki) und möchten Anzeichen in unserer Umgebung (äusseres Ki) erkennen können. Gerade darin liegt das Geheimnis einer Budokunst.
Das, was der aus alten Zeiten stammende Spruch “Im Training werde unschuldig, werde natürlich!“ uns sagen will, ist dass wir zuallererst unser Selbst leer machen müssen, weil wir nur dann imstande sein werden, viele Dinge aufzunehmen. Man kann von einem Herzen ohne Ärgernis, einem Herzen ohne Furcht sprechen. Wenn ein Mensch nicht stark ist (der Geist), entstehen weder Güte noch Mitgefühl/Rücksicht noch Echtheit. Auch Ghandi hat gesagt: „Wahre Stärke entsteht nicht aus physikalischen Fähigkeiten. Sie ist etwas, was aus einem unbeugsamen Willen entsteht“.
Hier glaube ich, dass „gerade mit einem gesunden Geist ein gesunder Körper einhergeht“. Und ist der Grund dafür nicht einfach, dass man sagt, dass der Mensch seinem Herzen folgt (Yagyu Munenori)? Aber es ist nicht so, dass wir mit einemmal leer werden können. Ist es nicht traurig, dass sich die Leere, wenn wir leer werden wollen, leider nur noch mehr von uns entfernt, weil wir ein Ausbund von Habsucht sind. Deshalb ist ein natürliches Selbst sicherlich gut. Wenn wir Wasser trinken wollen, trinken wir, wenn wir schlafen wollen, schlafen wir. Auch bei Auseinandersetzungen sind wir wunderbarerweise stärker, wenn wir eine natürliche Haltung einnehmen. Wenn wir unter unnatürlichem Zwang stehen, verlieren wir die Wahrheit.
Ein leeres Herz bedeutet nicht, dass wir kein Herz haben, sondern es bedeutet ein Herz , dass nicht an irgendetwas haftet. Wenn wir im Budo-Training krampfhaft stark werden wollen, wird uns die Stärke verlassen. Nur wenn wir redlich und kontinuierlich trainieren, werden wir bemerken, wenn wir uns gelegentlich nach hinten umdrehen, dass uns die Stärke hinterher kommt.
© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 12/2006