Gedanken zu den Auslandslehrgängen
Kawaraban Nr. 90
02/2013
vom Leiter des Tendokan, Kenji Shimizu Sensei
Es sind nun schon 35 Jahre vergangen, seit ich 1978 eine Einladung aus Deutschland erhielt und zu Lehrgängen ins Ausland fahre. Weil Klima, Kultur und Sitten in Japan und Deutschland verschieden waren, gab es in jenen Tagen Schwierigkeiten beim Reisen, es gab Missverständnisse und Ähnliches, und alles war ausgesprochen schwierig. Aber als mit der Zeit die Jahre vergingen, wurden Schwierigkeiten und Missverständnisse nach und nach geringer. Heute nach 35 Jahren läuft der Kulturaustausch sehr gut und reibungslos. Weil ich damals nicht der Typ war, der Kompromisse einging, gab es häufig Auseinandersetzungen. Weil es sich außerdem um Budo Unterricht handelte, galt das umso mehr. Und weil ich anfänglich genauso wie in Japan unterrichtete, kann es durchaus sein, dass mich die Trainingsteilnehmer damals nicht verstehen konnten.
Wenn ich in die Vergangenheit zurückblicke, kann es sein, dass ich mich nicht immer vernünftig verhalten habe, aber ich denke jetzt, dass das richtig war. Es wird gesagt, dass schlaue Menschen sich geschickt verhalten, aber in Wirklichkeit schützt sich ein schlauer Mensch selber. Wir aber wollen Aufrichtigkeit. Um aufrichtig zu sein, brauchen wir Mut. Wenn wir nur an Selbstschutz denken, wird kein Mut entstehen. Mut dient den Menschen, dient der Wahrheit, man muss das Ich ablegen.
Weil nun Japan den Krieg verloren hat, ist in den Herzen der Japaner ein großer mentaler Hohlraum entstanden. Die bis in die Vorkriegstage vorhandene mentale Kontrolle der Japaner scheint verloren gegangen zu sein. Es wird gesagt, dass das darin begründet liegt, dass in vielen entwickelten Ländern durch eine Kultur, die sich nur an einer Technologieentwicklung orientiert, die Tendenz zur Vernachlässigung des einzelnen Menschen entstanden ist. Anders als die Menschen haben Tiere von den Göttern das Geschenk erhalten, den eigenen Instinkt zu kontrollieren. Die Menschen müssen sich unbedingt durch Ausbildung und Training eine Kontrollmöglichkeit schaffen.
Die Menschen haben die Fähigkeit zu intellektuellem Training, zu ethischer Erziehung und zu physischer Ausbildung. Um nun zuerst den Körper, der sozusagen den Behälter dieser Dinge bildet, zu trainieren, gibt es Sport und Budo Kunst. Wir wollen hier besonders an Budo Künste denken. Wir wollen natürlich mit dem entsprechenden Training starke Muskeln und Knochen aufbauen, aber das geistige Training ist das Wichtigste, wir wollen eine Kraft erzeugen, mit der wir Strapazen überwinden und mit der wir in kritischen Situationen ohne Fehler zu gelassenen Entscheidungen fähig sind. Menschen dürfen sich nicht weniger als Tiere kontrollieren können.
© übersetzt von Ichiro Murata und Dr. Peter Nawrot, 08/2014