Kangeiko (Wintertraining)
Kawaraban Nr. 77
01/2009
vom Leiter des Tendokan, Kenji Shimizu
Ich wünsche Ihnen alles Gute für das Neue Jahr.
Neulich bei einem Gespräch mit jemandem kamen die jährlichen Sumo Wettkämpfe zur Sprache, und es ging um die Frage, warum zur Zeit kein Japaner Yokozuna wird (Sumo Landesmeister). Und wir gelangten zu dem Ergebnis, daß die heutige Gesellschaft nicht mehr ‚hungrig’ ist. Fehlt nicht bedauerlicherweise die geistige Einstellung, die eigentlich auch charakteristisch für die Japanern war? Von Indiens Ghandi sind die folgenden Worte überliefert: „Kraft entsteht nicht aus physischen Fähigkeiten. Sie entsteht aus unerschütterlichem Willen.“ Und ich, der auf langjährige Erfahrungen im Budo zurückblicken kann, denke ganz genauso. Ich würde den japanischen Sumo Ringern mehr Willenskraft und Stärke wünschen, die aus dem Geist entsteht.
Es fand wieder das traditionelle Wintertraining statt (am frühen Morgen um 6:30 Uhr, vom 12. – 18. Januar). In dieser Woche kamen sehr viel mehr Schüler als in den letzten Jahren. Sogar an Wochentagen waren über 70 Teilnehmer auf der Matte, und der letzte Tag mit 95 Teilnehmern war ein Rekord. Das Tendokan Dojo hat eine Größe von 75 Tatami. Darauf trainierte die Menge von nahezu 100 Menschen, jeder einzelne hatte das Bewußtsein, sich an einem Ort des Budo zu befinden, und es war ein Training in einer Atmosphäre nahezu heiliger Ruhe und gleichzeitig voller Harmonie. Jeder einzelne der Schüler, die im Tendokan keine Unterscheidung zwischen Senpai (alte Schüler) und Kohai (jüngere Schüler) kennen, konzentrierte sich auf sein eigenes Training, und es war ein hervorragendes Wintertraining zum Jahresanfang.
Zur Zeit bricht die Wirtschaft zusammen, und wir haben eine Situation, in der Politiker und Finanzexperten überwiegend orientierungslos herumirren. „Die Japaner beurteilen die Welt nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Daher verlieren sie am Ende ihr Selbstvertrauen auch in alle anderen Punkten, wenn die Wirtschaft versagt“, darauf weist beispielsweise Li Denghui hin (ehemaliges Staatsoberhaupt Taiwans). Er hat in unserem Land studiert und kennt sich im Bushido aus. Diese Worte von ihm, der uns ein sympathisches Verständnis entgegenbringt, sind bemerkenswert.
Ich rufe mir immer wieder ins Gedächnis, daß das Leben gerade jetzt beginnt, unabhängig davon, welches Alter ich habe. Die Vergangenheit und andere Menschen können wir nicht verändern, aber die Zukunft und uns selbst können wir ändern. Mir schossen diese Gedanken intensiv durch den Kopf, während ich beim Kangeiko jeden einzelnen, der erstmals daran teilnahm, beobachtete.
© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 02/2009