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Memoiren - Das 40-jährige Jubiläum (1)

Kawaraban Nr. 79

10/2009

vom Leiter des Tendokan, Kenji Shimizu

In diesem Oktober feiern wir das 40. Gründungsjahr des Tendokan und die Gründung der NPO Stiftung ‚tendo world aikido’ mit einem Gründungsseminar.  Die Zeit ist schnell vergangen, und auch ich bin entsprechend älter geworden.

Ich bin vor 46 Jahren, im Jahr 1963, ohne jede Kenntnis vom Aikido in diese Welt hineingesprungen.
Das ergab sich dadurch, daß ich auf das starke Zureden eines gewissen Bekannten hin dem Begründer des Aikido, Morihei Ueshiba (damals 79 Jahre alt), vorgestellt wurde, und das war ein Glücksfall, wenn ich heute daran zurückdenke. Ueshiba Sensei hatte einen sehr scharfen Blick und sein Gesichtsausdruck war freundlich. Er gab einem das Gefühl einer großen Persönlichkeit, die man in der heutigen Welt nicht mehr finden kann und die vor vielen hundert Jahren lebte. Das war damals mein Eindruck. „Ich nehme zur Zeit kein Uchideshi an, aber willst Du (jetzt) trotzdem als Uchi-Deshi anzufangen?“und ich konnte nur mit einem Wort „Ja, bitte“ antworten.

Die Wahrheit ist, daß meine Mutter strikt gegen den Einstieg in das Aikido war. Ihre starke Opposition basierte auf der Frage, warum heutzutage noch jemand ein Budo Spezialist werden sollte und ob das nicht ein Anachronismus ist. Das lag auch daran, daß ich bereits eine Anstellung gefunden hatte, mit der meine Mutter zufrieden war. Aber da ich außerdem bereits „Ja“ zu Ueshiba Sensei gesagt hatte, hatte ich nicht die Absicht abzusagen. Derjenige, der mich vorgestellt hatte und dem ich meine Entscheidung mitteilte und der ein sehr enger Bekannter von Ueshiba Sensei war, freute sich sehr. Aber, ehrlich gesagt, hatte ich nicht genug Selbstvertrauen, um meine Mutter zu überzeugen. Mit den Worten desjenigen, der mich empfohlen hatte: „In Japan sind die wirklichen Budoka ausgestorben, im heutigen Zeitalter kann kein Budoka mehr überleben . Aber zur Zeit gibt es einen letzten japanischen Budoka. Sein Name ist Morihei Ueshiba, und diese Gelegenheit sollte genutzt werden“ begann alles. Im Jahr 1963 konnte ich meine Mutter noch nicht überreden, und ich wählte schließlich einen Weg, der in der heutigen Gesellschaft sehr mühsam ist. Dann wurde ich völlig vom Aikido eingenommen.

Von da an gab es Tag für Tag den ganzen Tag nur Training. Es gibt im Aikido keinen Wettkampf, und ich trainierte zwanglos ein Vielfaches des Pensums anderer Schüler. Ich war total erschöpft , sah aus wie ein nasses Putztuch und hatte mir das Training nicht so hart vorgestellt. Außerdem besaß ich kein Geld, um nach dem Training meinen Hunger zu stillen, und schon allein das Nichtessenkönnen war hart. Weil ich intensiv ein Vielfaches der anderen trainierte, erfolgten die Graduierungen sehr schnell, und ich erhielt  innerhalb von drei Jahren den 4. Dan. Somit hatte ich beinahe den gleichen Dangrad erreicht wie die meisten der Lehrer (senpai) zum Zeitpunkt meines Eintrittes.

Weil es lange her ist, kann ich nun unbeschwert erzählen. Das Folgende ist passiert. Etwa sechs Monate nachdem ich Uchideshi geworden war, war einer der Lehrer, der das Training leiten sollte, an einem anderen Trainingsort und konnte nicht kommen. Als der Stellvertreter des damaligen Leiters des Honbu Dojos, Kisaburou Sensei, zu mir sagte: „Shimizu, übernimm Du an seiner Stelle das Training“, lehnte ich mit den Worten: „Nun, ich habe doch nur einen weißen Gürtel!“ überrascht ab. Zu jener Zeit war O-Sensei Morihei Ueshiba der Doushou (Vorsitzender des Aikido Weltverbandes – Aikikai), der Dojo-Leiter war Kisshomaru Ueshiba Sensei, der Stellvertreter war Osawa Sensei, der eines meiner Leitbilder im Training war. Jener Osawa Sensei sagte nun dessen ungeachtet: „Das spielt keine Rolle, binde Dir einen schwarzen Gürtel um“. Als ich nun besorgt meinte: „Aber ich mache mir Sorgen, daß die höheren Dangrade den Betrug merken“, sagte er: „ Du bist doch ein 4. Dan im Judo. Reicht es nicht, Dich als 4. Dan vorzustellen? Beides sind Budo Graduierungen.“ Und schließlich konnte ich das irgendwie verstehen. Ich erinnere mich, daß alle gehorsam meinen Anweisungen folgten, obwohl auch immer einige Danträger am Training teilnahmen.

Nachdem ich mit den Techniken ein wenig vertrauter war und Trainingsleitung und Privattraining häufiger wurden, bremste man mich mit den Worten: „Shimizu, in letzter Zeit hast Du aber recht häufig an Einladungen zum Essen teilgenommen, nicht wahr“. Mit der Zunahme der Trainerstunden, die ich gab, nahmen auch die Gelegenheiten, zum Essen eingeladen zu werden,  stark zu. Mir wurde gesagt: „Es wäre besser, wenn Du  etwas weniger Einladungen zum Essen annehmen würdest.“ „Wie?“ dachte ich, und dann wurde noch hinzugefügt: „Dein guter Ruf als Budotrainer leidet dabei.“ Und ich hatte auch gute Erfahrungen, da ich eine indirekte Warnung erhielt, mich vorsichtiger zu verhalten, weil es zur gleichen Zeit jemanden gab, der mein Verhalten weitererzählt hatte. Daher verstand ich die Schwierigkeiten des menschlichen Lebens und konnte wieder und wieder meine Erfahrungen vergrößern.

Zu jener Zeit trat jemand ein, der mir unvergeßlich geblieben ist. Es war der frühere Staatssekretär des MITI (Ministerium für Handel und Industrie), Herr Uruo Sabashi, dessen Leben als Basis für das Buch ‚Sommer der Bürokraten’ von Shoroyama Saburo (1927-2007) diente. Es ergab sich, daß ich der Verantwortliche für das Training von Herrn Sabashi wurde.

(Fortsetzung in der nächsten Ausgabe)

© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 11/2009