Wissen, was richtig ist, und es trotzdem nicht tun
Kawaraban Nr. 44
10/2000
von Kenji Shimizu
Ich habe einmal aus dem Mund eines Kindes folgendes gehört: `Mein Vater ist nicht ein kleines bisschen streng`. Bestimmt haben sich in den letzten Jahren die Erziehungsmethoden und das Verhältnis der Eltern in Bezug auf ihre Kinder geändert. Früher war es ganz selbstverständlich, dass Eltern streng waren, heutzutage möchten sie als Freund verstanden werden. Kinder brauchen, während sie klein sind, bis zum Alter von 10, 11 Jahren Strenge. Doch wenn nicht verstanden wird, dass Strenge aus Liebe kommt, ist sie sinnlos.
Ich betreibe seit meiner Kindheit Budo und kann mich erinnern, dass ich mir beim üben im Dojo ganz natürlich verschiedene Umgangsformen angeeignet habe. Ich denke, dass sie durch die Formen in meinen Körper, bis ins Herz eindrangen. Man sagt:` Kampfkunst beginnt mit einer Verbeugung und endet mit einer Verbeugung`. Am Anfang habe ich gemacht, was mir der Lehrer oder die älteren Schüler sagten, ohne irgendetwas zu verstehen, doch dann habe ich begriffen, dass die Verbeugung Vorbereitung bedeutet. Wenn man den Geist der Verbeugung verliert, wird die körperliche und geistige Stärke nicht heranwachsen.
Die Trainingsmethode im Aikido besteht darin, durch die Trainingsintensität, den Mut zu fördern … ( Wissen was richtig ist und es trotzdem nicht tun ), auf den Grund der Dinge zu gehen, ohne an die eigenen Interessen zu denken und sich für die Menschlichkeit einzusetzen, und außerdem als weiteres Ziel die Funktionen von Körper und Geist zu kultivieren. Gelegentlich werden mir von Schülern technische Fragen gestellt: ` Selbst wenn man im Aikido Fortschritte macht, kann man dann problemlos eine Technik anwenden, falls man wirklich von einem Raufbold angegriffen wird? Was ist, wenn man zum Beispiel dem Gegner Verletzungen zufügt, sich also übermäßig verteidigt? Ist es dann keine Straftat? Ich aber frage dann zurück: Was würdest Du machen, wenn vor deinen Augen jemand in eine gefährliche Situation gerät? Man muss Mut haben, um zu helfen. Das bedeutet in keinster Weise Kampf, sondern es gibt sicherlich verschiedenste Wege, wenn man Selbstvertrauen und Mut besitzt.
Ich denke, dass es höchste Zeit ist ernsthaft darüber nachzudenken, was für das heutige Japan wichtig ist. Dazu muss jeder Einzelne stärker werden. Dabei geht es um Dinge wie Mitgefühl den Menschen gegenüber, Milde und Aufmerksamkeit. Damit meine ich nicht nur gute Worte, sondern das eigene Selbst muss diese Eigenschaften überzeugend und natürlich ausstrahlen, sonst ist es nicht echt. Daher muss man auch in fortgeschrittenem Alter Körper und Geist stärken. Wollen wir diese Haltung nicht auch den Kindern vermitteln?
© übersetzt von Birgit Lauenstein 06/2002