Andere Menschen mit offenem Herzen aufnehmen
Kawaraban Nr. 88
08/2012
Tendokan Dojo Leiter Kenta Shimizu
Nach dem Ende zweiwöchigen Lehrgangs auf dem Herzogenhorn in Deutschland, wo wir uns jedes Jahr versammeln, erhielt ich die Gelegenheit, an drei Orten alleine zu unterrichten. In dieser Woche begleitete mich Axel Bergemann, der in Starnberg Aikido unterrichtet. Mit dem Auto dauerte die Fahrt vom ersten Unterrichtsort bis zum nächsten etwa 6 Stunden. Es war zum ersten Mal, dass ich alleine in Deutschland unterrichtet habe, und ich bin wirklich zu tiefem Dank gegenüber Axel verpflichtet, der mich spontan auf diese Weise unterstützt hat.
Normalerweise nahm ich bisher hauptsächlich als Uke von Shimizu Sensei an den Lehrgängen teil, aber dieses Mal unterrichtete ich vom entgegengesetzten Standpunkt aus, und daher war mein Blickwinkel sehr ganz anders als vorher. Weil mir im Tendokan die Schüler, die normalerweise am Training teilnehmen, vertraut sind, mache ich mir keine großen Sorgen, wenn ich im Training etwas besonders demonstriere. Aber im Ausland habe ich nur die Möglichkeit, normale Schüler, die ich im Jahr nur einige Male treffen kann, um Uke zu bitten. Obwohl wir zwar das gleiche Tendoryu Aikido trainieren, waren wir wohl gegenseitig ziemlich nervös und konnten daher anfangs noch nicht so einfach unsere Bewegungen aufeinander abstimmen.
Je mehr wir denken “Ich will eine super Vorführung geben!“, desto mehr denkt jeder nur an sich, und infolgedessen passt das Tempo von beiden Partnern nicht mehr überein.
In dieser Woche war hauptsächlich Axel mein Uke. Er musste das Auto auf unserer Reise steuern und zusätzlich den Uke machen. Ich denke, das war eine richtig anstrengende Woche für ihn. Zwar kennen wir uns gut, weil wir schon lange zusammen trainiert haben, aber es gab einige Male, wo es nicht ganz so gut klappte, wie wir es erwartet hatten.
Im November letzten Jahres war ich zum ersten Mal allein zum Unterrichten 10 Tage in Mexiko. Das Japanisch-Mexikanische Institut, an dem der Lehrgang stattfand und wo Grund- und Mittelschüler aus beiden Ländern zusammen lernen, ist eine ganz besondere Schule.
Der Vorstandsdirektor, Katou Naoyuki Sensei, immigrierte mit seinen Eltern nach Mexiko, lebte kontinuierlich in Mexiko mit Ausnahme seiner Jugendzeit während des Krieges, die er in Japan verbrachte. Und so gründete er vor etwa 40 Jahren das Japanisch-Mexikanische Institut. Weit weg von Japan verbringt er sein Leben in Mexiko, und als ich in Erfahrung zu bringen versuchte, ob es nicht deswegen von der Eröffnung bis zum etablierten Institut viele Probleme gegeben hat, kam eine überraschende Antwort zurück.
„Es gab in der Tat keine größeren Probleme. Die Mexikaner sind Menschen, die jeden anderen auf tolerante Weise akzeptieren. Und auch meine Frau, die ich in Japan kennenlernte, sagt mir, dass sie in Mexiko gut leben kann. Das ist beinahe ein Wunder, aber das liegt nun einmal am Land.“
Wenn ich nun an die Unterhaltung mit Katou Sensei zurückdenke, wurde mir bewusst, dass das so bezeichnete „Aufnehmen anderer Menschen mit offenem Herzen“ im Aikido Training genauso das gleiche ist.
Anders als bei den Olympischen Spielen, bei denen es Wettkämpfe in verschiedenen Klassen gibt, spielt im Aikido Training die Körpergröße, das Geschlecht, das Alter keine Rolle, und alle Menschen können sich beim Training gegenseitig bei der Hand fassen und gemeinsam trainieren.
Natürlich sind wir Menschen und daher sind nicht alle Menschen in unserer Umgebung Menschen, die wir mögen. Aber „andere Menschen mit offenem Herzen aufnehmen“ bedeutet nicht, dass wir Dinge, die wir nicht mögen, gegen unseren Willen in uns hineinzwingen. Wenn wir aber „fremde Dinge“, die sich von den uns bekannten Dingen unterscheiden, am Ende fürchten und abweisen, können wir dadurch nicht wachsen. Wenn wir einmal die Wand zwischen uns und dem Partner überwunden haben, könnte in uns selbst eine neue „chemische Reaktion“ ausgelöst werden.
Auch für mich war es das erste Mal, dass ich alleine unterrichtet habe, und mich hat die Unsicherheit gequält, wie mein Auftritt wirkt. Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, entstand diese Angst aus der gedanklichen Einbahnstraße, dass ich nur an den einseitigen ‚Output’ meines Verhaltens dachte. Zwar geben Lehrer Unterricht, aber Lehrer müssen auch lebenslang weiterlernen. Ich möchte mein Herz immer offen halten, um weiter wachsen zu können.
Nach der einen Woche mit Axel ist, was wir beide fühlten – ganz einfach mit einem Wort gesagt -, dass wir uns gegenseitig vertrauen können.
Keine Angst vor Fehlern, gegenseitiges natürliches Vertrauen, zu einer Einheit werden. Es ist eine Phrase, die wir wer weiß wie oft im normalen Training gehört haben, aber das Vermeiden von unnötigen Dingen scheint einfach zu sein, ist aber schwer, und andererseits, wenn man es endlich geschafft hat, können wir einfach entscheiden, was im Leben wichtig ist.
Ich will Prüfungen, die mich auf meinem Weg blockieren, nicht ausweichen, sondern ich will sie als Aktivitäten betrachten, um mich selbst zu verbessern, und dadurch möchte ich mich weiterentwickeln.
© übersetzt von Ichiro Murata und Peter Nawrot 03/2013